Pflichtabfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen bei der Geldanlage

Stand:
Seit August 2022 besteht die Pflicht, Sie bei der Anlageberatung nach Ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu fragen. Also ob und, falls ja, wie das Geld nachhaltig investiert werden soll.
Weltkugel liegt in einer Hand

Das Wichtigste in Kürze:

  • Seit August 2022 müssen Sie von Anlageberater:innen gefragt werden, ob Sie Ihr Geld nachhaltig investieren wollen.
  • Setzen Sie bei der Geldanlage auf Nachhaltigkeit, können Sie entscheiden, nach welcher von 3 Kategorien Sie das Geld nachhaltig anlegen wollen.
  • Zur Auswahl stehen (1) ökologisch nachhaltige Investitionen gemäß der Taxonomie Verordnung, (2) nachhaltige Investitionen gemäß der Offenlegungsverordnung und (3) Investitionen, die nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen (PAIs) berücksichtigen.
  • Wir erklären in diesem Artikel, was genau unter den 3 Kategorien für nachhaltige Geldanlagen zu verstehen ist und was sie voneinander unterscheidet.
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Gesetzliche Pflicht zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen

Die gesetzliche Pflicht zur Erfragung der Präferenzen zu einer nachhaltigen Geldanlage geschieht in 2 Schritten:

  1. Zuerst wird gefragt, ob überhaupt der Wunsch besteht, nachhaltig zu investieren.
  2. Beantworten Sie diese Frage mit "Ja", müssen Anlageberater:innen anschließend erfragen, nach welcher von 3 Möglichkeiten Ihr Geld nachhaltig angelegt werden soll.

3 Kategorien für eine nachhaltige Geldanlage

Setzen Sie bei der Geldanlage auf Nachhaltigkeit, können Sie entscheiden, nach welcher von 3 Kategorien Sie das Geld nachhaltig anlegen wollen. Die 3 Kategorien für eine nachhaltige Geldanlage sind:

  1. Ökologisch-nachhaltige Investitionen, gemäß der Taxonomie-Verordnung.
  2. Nachhaltige Investitionen, gemäß der Offenlegungsverordnung.
  3. Investitionen, die nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen (PAIs) berücksichtigen.

Diese 3 Kategorien klingen für viele beim ersten Lesen eventuell sehr bürokratisch und etwas sperrig. Auch die Unterschiede werden für viele Menschen nicht gleich klar. Daher erläutern wir die 3 Kategorien nachfolgend etwas genauer.

Ökologische Investition nach Taxonomie-Verordnung

Die Taxonomie klassifiziert Wirtschaftsaktivitäten nach ihrer Nachhaltigkeit. Ökologisch-nachhaltig ist nach der Taxonomie eine Wirtschaftsaktivität, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem dieser 6 Umweltziele leistet:

  1. Klimaschutz
  2. Klimawandelanpassung
  3. Nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen
  4. Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung von Umweltverschmutzung
  6. Schutz von Ökosystemen und Biodiversität
Zudem darf die Wirtschaftsaktivität keinem der anderen Ziele zuwiderlaufen ("do no significant harm") und es müssen Mindestanforderungen (Soziales, Menschenrechte usw.) eingehalten werden.

Werden diese Kriterien erfüllt, bezeichnet man das als taxonomiekonform.

Der Schwerpunkt einer nachhaltigen Geldanlage anhand der Taxonomie-Verordnung liegt derzeit nur auf der Ökologie. Geplant ist auch eine Erweiterung der Taxonomie um soziale Ziele. Die Einführung erscheint nach zahlreichen Diskussionen derzeit ungewiss und ein Zeitpunkt dafür ist nicht bekannt.

Streit um Einstufung von Atomkraft und Gas

Gas und Atomenergie gelten seit Anfang 2023 nach der EU-Taxonomie als nachhaltig. Diese Einstufung ist vorübergehend gedacht. Laut der Europäischen Kommission sei die Aufnahme dieser Aktivitäten nur vorübergehen und an bestimmte Bedingungen und Transparenzanforderungen geknüpft.

Für die Einstufung als nachhaltig gilt beim Gas vor allem Deutschland als wichtiger Akteur. Die Atomkraft wiederum ist Frankreich besonders wichtig. Die beiden Länder setzen traditionell stark auf den einen bzw. den anderen Energieträger.

Einige Umweltverbände kritisieren diese Einstufung, weil unter anderem durch Gas klimaschädliches CO2 entsteht und Atomkraft für radioaktiven Müll sorgt. Trotz der Kritik blieb die EU Kommission dabei bestimmte Erdgas- und Atomkraftaktivitäten als Übergangstätigkeit einzustufen. Ebenso sieht sie in ihrem Vorschlag im Juni 2023 bestimmte Aktivitäten des Luftverkehrs als Übergangstätigkeit an. Hier sollen Anreize für die Entwicklung emissionsfreier Technologien sowie die Herstellung/Einsatz von Flugzeugen der neuesten Generation, die ältere Modelle ersetzen, geschaffen werden.  

Unabhängig davon, ob einzelne Verbraucher:innen die Entscheidung der EU nachvollziehen oder ablehnen wird sie für viele Menschen in jedem Fall überraschend sein. Denn mit Gas, Atomkraft und Flugzeugen wird nicht jeder rechnen, der Geld nachhaltig anlegen möchte.

Nachhaltige Investition nach Offenlegungsverordnung

Die Offenlegungsverordnung, auch Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) genannt, soll Standards in Europa vereinheitlichen und die Vergleichbarkeit von Finanzprodukten fördern. Zudem sollen vorvertragliche Informationen über die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken informieren. Dies hat unabhängig von der Präferenz des Verbrauchers zu erfolgen.

Artikel 2 Absatz 17 der Offenlegungsverordnung definiert, was eine nachhaltige Investition ist: Demnach ist eine nachhaltige Investition eine wirtschaftliche Tätigkeit, die zum Erreichen eines ESG-Ziels – ESG steht für Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) – beiträgt und dabei den anderen Zielen keinen Schaden zufügt.

ESG-Ziele oder Kriterien können beispielsweise sein:

  • Ressourceneffiziente Nutzung von (erneuerbaren) Energien, Rohstoffen, Wasser und Boden
  • Mehr biologische Vielfalt und eine Kreislaufwirtschaft
  • Investitionen zur Bekämpfung von Ungleichheit
  • Förderung des sozialen Zusammenhalts oder der sozialen Integration
  • Nutzung von Verfahrensweisen guter Unternehmensführung, insbesondere bei der Beziehung und Bezahlung von Arbeitnehmer:innen, sowie der Einhaltung von Steuervorschriften


Diese Definition bildet die Grundlage für eine Investition nach der Offenlegungsverordnung.

Häufig ist im Zusammenhang mit der SFDR von Artikel-6-Fonds, Artikel-8-Fonds und Artikel-9-Fonds die Rede. Diese 3 Artikel haben unterschiedliche Anforderungen an die Offenlegung der Unternehmen. Die Kategorisierung erfolgt von den Unternehmen. Es wird hierbei nur Transparenz, jedoch nicht spezifische Nachhaltigkeitskriterien vorgeschrieben.

  • Artikel 6 bildet die Basis der Offenlegung. Hier müssen vor Vertragsschluss Angaben über die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken und deren Auswirkungen auf die Rendite veröffentlicht werden. Wenn Nachhaltigkeitsrisiken nicht mitberücksichtigt werden, muss erläutert werden, warum dies der Fall ist.
     
  • Bei Artikel-8-Fonds muss neben den in Artikel 6 beschriebenen Angaben auch veröffentlicht werden, wie ökologische und soziale Merkmale erfüllt werden.
     
  • In Artikel-9-Fonds wird geregelt wie die Veröffentlichung von Fonds, die nachhaltige Investitionen betreiben, erfolgen soll.
  • Oftmals werden Artikel 8-Fonds als ESG- und Artikel-9 als Impact-Fonds bezeichnet. Das ist so nicht ganz korrekt, denn die Offenlegungsverordnung ist kein Klassifizierungssystem. Der Anbieter legt selbst fest in welchen Artikel sein Fonds eingestuft also wie umfangreich in den vorvertraglichen Informationen dazu berichtet wird. Darüber hinaus ist gerade der Impactbegriff bei Investmentfonds noch nicht endgültig geklärt. Dazu findet derzeit ein wissenschaftlicher Diskurs statt.

Was unterscheidet nachhaltige Geldanlagen nach Taxonomie und Offenlegungsverordnung?

Der Unterschied zwischen einer Investition gemäß der Taxonomie und der Offenlegungsverordnung liegt in der Berücksichtigung der Nachhaltigkeit.

  • Eine Investition nach der Taxonomie berücksichtigt derzeit ausschließlich ökologische Aspekte.
  • Bei einer Investition nach der Offenlegungsverordnung werden zusätzlich auch Kriterien aus den Bereichen Soziales und Unternehmensführung einbezogen.

Bei beiden Varianten wird abgefragt, wie hoch der Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen sein soll. Das Ziel dieser beiden Varianten ist es, Positives zu fördern.

Nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen (PAIs)

Das Ziel der nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen oder auf Englisch Principal Adverse Impacts (PAIs) ist es, negative Auswirkungen eines Investments zu verhindern. Hierbei wird gefragt, anhand von welchen PAIs die Berücksichtigung nachgewiesen werden soll.

Die Berücksichtigung der PAIs wird auch in der Offenlegungsverordnung geregelt. In Artikel 4 der Offenlegungsverordnung wird festgelegt, dass Finanzmarkt-Teilnehmer:innen und Finanzberater:innen auf ihren Websites Informationen über die Berücksichtigung der PAIs veröffentlichen und aktuell halten müssen. Werden PAIs nicht berücksichtigt, muss erklärt werden, warum diese nicht berücksichtigt werden.

Es gibt insgesamt 64 verschiedene Indikatoren für nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen. Davon sind 18 verpflichtend und 46 freiwillig zu benennen. Für alle 3 ESG-Bereiche gibt es Indikatoren.

Beispiele für die Pflichtindikatoren sind:

  • Treibhausgasemissionen
  • Emissionen im Wasser
  • Anteil gefährlicher und radioaktiver Abfälle
  • unbereinigtes geschlechtsspezifisches Verdienstgefälle
  • Engagement in umstrittenen Waffen.

Umsetzung der Pflicht zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz

Ein Problem bei dem zweistufigen Verfahren besteht darin, dass der Gesetzgeber nur den Rahmen festgelegt hat, nicht aber den genauen Inhalt. Die Tatsache, dass viele Details nicht oder nicht ausreichend geregelt sind, sorgt aktuell sowohl bei Anbietern als auch bei Anleger:innen für Unsicherheit. Wer sich mehrfach beraten lässt wird feststellen, dass die Vorgaben des Gesetzes von den Anbietern unterschiedlich interpretiert werden.

Anbieter zögern stellenweise, ein nachhaltig konzipiertes Produkt auch offiziell so einzustufen. andere waren zu Beginn noch mutig und haben Fonds nach Artikel 9 der Offenlegungsverordnung eingestuft und ruderten insbesondere im Herbst 2022 wieder bei der Einstufung auf Artikel 8 zurück. In beiden Fällen spielt die Sorge vor einem möglichen Reputationsverlust eine Rolle. Falls ein Vorwurf von Greenwashing oder Impact-Washing in den Medien platziert werden sollte, wäre dies - unabhängig davon, ob der Vorwurf zu Recht oder zu Unrecht erfolgt - schädigend für den eigenen Ruf.

 

Auch Anleger:innen sind vorsichtig und diese Fragen tauchen in Beratungsgesprächen weiterhin auf: „Hält das beworbene Produkt, was es verspricht?“, „Wie erkenne ich, ob es (wirklich) nachhaltig ist?“ oder „Warum ist die Firma X in einem nachhaltigen Fonds enthalten?“

Fazit

Leider ist noch etwas Geduld erforderlich, bis durch die angeschobenen Regelungen der EU ein Mindestkonsens erreicht wird und die Transparenzregelungen stärker wirken können. Auch deswegen sollten Anleger:innen weiterhin die wesentlichen Kriterien der Geldanlage an die erste Stelle ihrer Überlegungen setzen: Bedarfsgerechtigkeit, Verinnerlichung der Grundlagen des magischen Dreiecks sowie die Beachtung von Risiken und Kosten. Und erst danach in den im Einzelfall passenden Produktklassen nach nachhaltigen Varianten schauen.

 

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