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Rein pflanzlich heißt nicht immer harmlos

Stand:
Exotische "gesundheitsförderliche" Pflanzen in Nahrungsergänzungsmitteln boomen. Doch "natürlich" heißt nicht unbedingt "sicher"! Bestimmte Pflanzen sind gefährlich.

Das Wichtigste in Kürze:
Achtung, kann Gesundheit schaden

  • Egal wie natürlich sie daherkommen: Pflanzen und Pflanzenextrakte können durchaus (sehr) gesundheitsschädliche Stoffe enthalten.
  • Lediglich wenige bedeutende Pflanzen wurden bisher auf ihre Schädlichkeit hin wissenschaftlich bewertet.
  • Bisher fehlen gesetzliche Verbotslisten für solche Stoffe in Nahrungsergänzungsmitteln. Verboten sind aktuell nur Ephedra-Kraut und Yohimbe, sowie Anthrachinone z.B. in Aloe. Bei allen anderen ist der Hersteller/Vertreiber für die Sicherheit verantwortlich.
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Exotische Pflanzen boomen

Besonders bei den Nahrungs­ergänzungsmitteln boomt der Markt mit exotischen Pflanzen und Pflanzen­zubereitungen ("Botanical preparation") als Zutaten. Den Pflanzen, Algen und Pilzen ("Botanicals") wird in der Regel irgendeine außergewöhnliche - meist gesundheitsförderliche - Wirkung zugesprochen. Häufig werben die Anbieter mit "Natürlichkeit" und lassen den Eindruck entstehen, dass die Präparate deshalb auch sicher seien. Doch das ist ein Trugschluss. Nicht immer handelt es sich um harmlose Kräutermittel. Häufig verbergen sich unerforschte und teilweise giftige Substanzen dahinter.

Das Problem: Für diese Zutaten braucht man keine amtliche Zulassung. Deshalb prüft keine Behörde, wie sie wirken und ob sie gesundheitlich unbedenklich sind, bevor sie auf den Markt kommen. Alleine der sogenannte Inverkehrbringer (Hersteller, Verpacker oder Verkäufer) ist für die Sicherheit verantwortlich. Wenn dieser aber im Ausland sitzt, ist es schwer, ihn zur Verantwortung zu ziehen.

Auch für die Lebensmittel­überwachung ist das nicht ganz einfach, da es keine rechtsverbindliche Liste der in Nahrungs­ergänzungsmitteln zugelassenen Pflanzen gibt.

Worauf kann ich achten?

  • Grundsätzlich vorsichtig sein sollten Sie bei der Verwendung von Pflanzen und Pflanzen­zubereitungen, wenn Sie chronisch krank sind und/oder regelmäßig Medikamente einnehmen müssen. Hier sind Wechselwirkungen möglich. Gesundheitliche Bedenken diesbezüglich hat das BfR beispielsweise bei Gojibeeren. Fragen Sie in Ihrer Apotheke nach möglichen Wechselwirkungen. Eine Hilfe für das Gespräch bietet unser Formular "Persönliche Gesundheitsapotheke".
     
  • Verzichten Sie keinesfalls auf notwendige medizinische Behandlungen – auch wenn behauptet wird, eine Pflanzenzubereitung könnte diese ersetzen. Klären Sie das zunächst im ärztlichen Gespräch, um keine unnötigen Risiken einzugehen.
     
  • Neben Produkten mit Ephedrin (siehe unten) sollten Sie auch bei solchen mit Synephrin  (bzw. Bitterorangenextrakt / Citrus aurantium) sehr vorsichtig sein, insbesondere in Kombination mit Koffein.
     
  • Bei Grüntee-Extrakten und Produkten aus Rotem Reis die Dosierung beachten.
     
  • Auch bei Maca-Extrakten rät das Bundesinstitut für Risikobewertung zu Vorsicht: "Aus den vorliegenden Daten kann derzeit keine unbedenkliche Verzehrsmenge von Maca in [...] Nahrungsergänzungsmitteln abgeleitet werden."
    Grund dafür: In einigen Tierversuchen wurden Effekte auf die Geschlechtsorgane sowie auf den Hormonhaushalt beobachtet. Hierdurch könnten unerwünschte Wirkungen hervorgerufen werden.
     
  • Besser verzichten sollten Sie derzeit auf Produkte mit Schlafbeere (Withania somnifera, Ashwagandha), Kudzuwurzel (Pueraria lobata), Erdstachelnuss (Tribulus terrestris), Wermut (Artemisia absinthium) und Geißkraut (Galega officinalis L.), weil noch Unklarheiten bezüglich der Sicherheit bestehen (siehe unten).

Übrigens: Als "rein natürlich" angepriesene Nahrungs­ergänzungsmittel aus dem Internet, speziell solche zur Gewichtsreduktion, zur Potenzsteigerung oder zur Leistungssteigerung, enthalten häufig nicht deklarierte illegale Arzneiwirkstoffe. Vorsicht, wenn solche Erzeugnisse in Internetforen als besonders wirksam beschrieben werden. Auf welche Gesundheitsinfos im Netz Sie sich verlassen können, finden Sie hier.

Nicht zuletzt gibt es aber auch in lebensmitteltauglichen Pflanzen sekundäre Pflanzenstoffe, von denen ein Zuviel in Form eines Extraktes ein Problem bedeuten kann. Und es gibt auch darin weitere nicht ganz ungefährliche Inhaltsstoffe (natürliche Schadstoffe) wie Morphin, Blausäure, Phasin oder THC in Hanfprodukten. Welche natürlichen Schadstoffe vor allem in Nahrungsergänzungsmitteln eine Rolle spielen, finden Sie hier.

Verbotene gesundheitsschädliche Pflanzen

Einen ersten Anhaltspunkt über die Sicherheit sowie die Eingruppierung der Pflanzen als Lebensmittel oder Arzneimittel liefert die Stoffliste für Pflanzen und Pflanzenteile  vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), die gemeinsam mit Österreich und der Schweiz erarbeitet wurde. Diese Liste mit etwa 850 Pflanzen und Pilzen, demnächst auch Algen, soll der einheitlichen Einschätzung der deutschen Lebensmittel­überwachungsbehörden dienen, ist aber bisher nicht rechtsverbindlich.

Hinzu kommt, dass Pflanzenextrakte bei Lebensmitteln nicht standardisiert sind (es gibt keine Vorgaben zur Herstellung und Zusammensetzung), sodass es letztendlich doch immer wieder zu Einzelfall­bewertungen kommen muss. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat 18 bedeutsame Pflanzen und pflanzliche Zubereitungen ausgewählt und sie auf ihre gesundheitliche Wirkung  hin überprüft.

Acht pflanzliche Stoffe wurden vom BfR als gesundheitsschädlich eingestuft! Damit sind sie nicht sicher und sollten  in Nahrungsergänzungsmitteln nicht verwendet werden. Letztendlich ist aber der Hersteller für die Sicherheit verantwortlich.

  • Eisenhut (Aconitum spp.): gilt als die giftigste Pflanzengattung Europas. Eine Vergiftung führt zu schweren Störungen der Nerven, des Herz-Kreislauf-Systems und des Verdauungsapparates bis hin zum Tod. Ein Gegenmittel ist bis heute nicht bekannt.
  • Fingerhut (Digitalis spp.): besitzt ein breites Vergiftungsspektrum mit langanhaltender Wirkung
  • Meerträubel (Ephedra spp.): wirkt stimulierend auf den Kreislauf mit der großen Gefahr von Übelkeit, Herzrasen, Angstzuständen, Schlaflosigkeit bis hin zu lebensbedrohlichen Folgen. Die Verwendung als Zutat in Nahrungsergänzungsmitteln ist in den USA und in der EU mittlerweile verboten.
  • Weißer Stechapfel (Datura stramonium): Blätter werden in der traditionellen Heilkunde bei Asthma und Bronchitis eingesetzt. Unkontrollierte Einnahmen können zu Vergiftungen mit tödlichem Ausgang führen.
  • Wurmfarn (Dryopteris filix-mas): Bei innerer Anwendung drohen zahlreiche Vergiftungs­erscheinungen, auch mit tödlichem Ausgang durch Krampfanfälle oder Atemlähmung.
  • Aztekensalbei (Salvia divinorum Epling & Jativa): halluzinogene Drogen mit hohem Missbrauchspotential
  • Aristolochia (Aristolochia spp.): Schon in geringer Dosis kann der Stoff die Nieren schädigen, das Erbgut verändern und Krebs erregen. In Deutschland sind Aristolochia-haltige Arzneimittel bereits seit 1981 (vom damaligen Bundesgesundheitsamt) verboten.
  • Schlangenwurzel (Rauwolfia serpentina): Eine Vergiftung führt zu schweren Störungen der Nerven, des Herz-Kreislauf-Systems und des Verdauungsapparates, was auch langfristige Schäden zur Folge haben kann
  • Khat (Catha edulis) müsste, so die Empfehlung des BfR, aufgrund von psychoaktiven Inhaltsstoffen, die unter anderem das Fahrvermögen beeinträchtigen können, als Droge eingestuft werden.
     

Ephedrakraut (Ephedrin, Ephedra) ist seit 2015 in der EU (VO (EU) 2015/403) verboten. 2013 hatte die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA festgestellt, dass Ephedra-haltige Nahrungs­ergänzungsmittel, die in der Regel zur Gewichtsreduktion oder zur Verbesserung der sportlichen Leistung eingesetzt werden, und Kräutertees mit Ephedrakraut über das Internet erhältlich sind. Die in Nahrungsergänzungsmitteln enthaltenen Mengen Ephedra-Alkaloide oder Ephedrin können der therapeutischen Dosis in Arzneimitteln entsprechen oder diese sogar übersteigen. Das kann schwerwiegende nachteilige Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und das zentrale Nervensystem (wie Bluthochdruck oder Schlaganfälle) haben. Durch eine kombinierte Aufnahme mit Koffein können diese noch verstärkt werden.

Die Verwendung der Baumrinde von Yohimbe (Pausinystalia yohimbe) und daraus hergestellten Zubereitungen ist seit 15. Mai 2019 mittels Verordnung (EU) 2019/650 in Nahrungsergänzungen und anderen Lebensmitteln verboten.

Ebenso verboten sind seit Frühjahr 2021 Aloe-Emodin, Emodin, Danthron und Aloe-Extrakte, die Hydroxyanthracen-Derivate (Anthrachinone) enthalten. Unter Beobachtung stehen aktuell Zubereitungen aus Faulbaum-Rinde (Rhamnus frangula L., Rhamnus purshiana DC.), Rharbarber-Wurzel (Rheum palmatum L., Rheum officinale Baillon und ihre Hybride) sowie aus Sennes-Blättern und -Früchten.

Für Grüntee-Extrakte (EGCG) und Red-Rice-Produkte gibt es Mengenbeschränkungen.

Wissenschaftliche Daten fehlen

Für 5 weitere Pflanzenstoffe fehlen Informationen zur Gesundheitsgefahr, oder es existieren wissenschaftliche Unsicherheiten. Bis eindeutige Studien zur Sicherheit vorliegen, sollte diese Zutaten besser nicht mit Nahrungsergänzungsmitteln verzehrt werden:

  • Schlafbeere (Withania somnifera) (auch als Ashwagandha bezeichnet)
  • Kudzuwurzel (Pueraria lobata)
  • Erdstachelnuss (Tribulus terrestris)
  • Wermut (Artemisia absinthium)
  • Geißraute (Galega officinalis L.)


Wie gezeigt fehlen hinsichtlich der Pflanzenstoffe aus Sicht des vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes zahlreiche gesetzliche Maßnahmen. Hier finden Sie den diesbezüglichen Forderungskatalog der Verbraucherzentralen.

 

Zum Weiterlesen:

Wie natürliche Pflanzeninhaltsstoffe zur Gefahr werden – Pflanzenalkaloide im Blickpunkt, Stand: 09.02.2021

Superfood - Hype um Früchte und Samen

 

Quellen:


BVL (2020): Stofflisten des Bundes und der Bundesländer, 2. Auflage. Stand: 29.09.2020

Bundesinstitut für Risikobewertung (2013): Risikobewertung von Pflanzen und pflanzlichen Zubereitungen, BfR-Wissenschaft 12/2013), 2. ergänzte Auflage

EFSA-Gremium für Lebensmittelzusatzstoffe und Lebensmitteln zugesetzte Nährstoffquellen (ANS-Gremium) (2013): Scientific Opinion on safety evaluation of Ephedra species for use in food. EFSA Journal 2013;11(11): 3467.

Verordnung (EU) 2019/650 vom 24. April 2019 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Yohimbe (Pausinystalia yohimbe (K. Schum) Pierre ex Beille)

Verordnung (EU) 2021/468 der Kommission vom 18. März 2021 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf botanische Arten, die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten

EFSA (2013): Scientific Opinion on the evaluation of the safety in use of Yohimbe (Pausinystalia yohimbe (K. Schum.) Pierre ex Beille). EFSA Journal 11 (7):3302

BfR (2007): Risikobewertung maca-haltiger Nahrungsergänzungsmittel (abgerufen am 14.02.2023)