Arginin - eine Aminosäure mit Potenz?

Stand:
L-Arginin soll die Potenz steigern und die Durchblutung fördern. Ein Mangel ist aber selten - und nur dann würde diese Aminosäure nützlich sein.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bei einer Erektions­störung sollte ärztlicher Rat eingeholt werden, denn sie kann viele medizinische Ursachen haben, etwa eine bisher nicht entdeckte Herz-Kreislauf-Erkrankung.
  • Potenzmittel aus dem Internet enthalten häufig undeklarierte Arzneistoffe.
  • Im Körper wird Arginin gebildet und zusätzlich wird über Lebensmittel reichlich L-Arginin aufgenommen.
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L-Arginin und die Potenz

Arginin soll die Durchblutung steigern und dadurch die Erektions­fähigkeit verbessern: "Für deutliche Leistungssteigerung - auch im Bett", "Mehr Ausdauer plus härtere Erektion", "gegen Potenz­schwäche und zur Verbesserung der Erektions­fähigkeit", "Arginin ist ein natürliches Potenzmittel" - die Werbung für Nahrungsergänzungsmittel mit der Aminosäure L-Arginin weckt bei Männern große Hoffnungen. Manchmal werden sie von Herstellern aber auch geradezu veralbert wie mit einem Produkt „für Weihnachtsmänner“ oder „Gartenzwerge“, mit dem das geltende Recht umgangen werden sollte.

Einige klinische Studien zeigten positive Effekte von Arginin bei leichten und mittleren Erektionsstörungen. Häufig wird in solchen Studien die kombinierte Wirkung von Arginin mit Arzneistoffen wie Sildenafil oder Tadalafil oder mit Pflanzenstoffen untersucht, auch sind die eingesetzten Dosen an Arginin unterschiedlich hoch. Daher sind die Studienergebnisse uneinheitlich und oft widersprüchlich.

In der aktuell geltenden ärztlichen Leitlinie zu den Behandlungsmöglichkeiten einer erektilen Dysfunktion, wie Potenzschwäche oder verminderte Erektionsfähigkeit medizinisch bezeichnet wird, wird L-Arginin nicht genannt.

Gesundheitsbezogene Aussagen für Nahrungsergänzungsmittel, sogenannte Health Claims, müssen von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA wissenschaftlich geprüft und von der EU zugelassen sein. Für L-Arginin in Nahrungs­ergänzungs­mitteln gibt es keine zugelassenen Gesundheits­versprechen. So erfolgt die Werbung mit einem gesundheitlichen Nutzen oft über andere zugesetzte Stoffe, wie Selen und Zink. Diese Stoffe werden dann mit (erlaubten) Aussagen beworben, die einen indirekten Bezug zu Potenz und sexueller Leistungs­fähigkeit haben. Das können z.B. sein "Vitamin B2, B6, B12 und Eisen - trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei" oder "Vitamin C, Magnesium und Eisen - trägt zu einem normalen Energiestoff­wechsel bei". Die Mineralstoffe Zink und Selen dürfen mit einem "Beitrag zum normalen Testosteron­spiegel" bzw. "zur normalen Spermien­bildung" angepriesen werden.

Häufig sind Koffein oder Guarana als koffeinhaltige Pflanze enthalten. Die Koffeinmenge kann durchaus der von ein bis zwei Tassen Kaffee entsprechen. Koffein hat bekanntermaßen eine durchblutungs­fördernde Wirkung.

Exotische Pflanzen wie Besenreifkraut, Juckbohnen (Mucuna pruriens) oder Sandmalve sind in der Europäischen Union keine traditionellen Lebensmittel­pflanzen und nicht als Bestandteile von Nahrungs­ergänzungs­mitteln zugelassen. Vorsicht auch beim angeblichen Testosteron-Booster Tribulus terrestris (Erdsternchen).

Arginin und Blutdruck

Arginin wird auch gerne als Fitmacher fürs Herz bezeichnet. Arginin ist wichtig für die Bildung von Stickstoffmonoxid im Körper. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Stickstoffmonoxid die Blutgefäße weitet und dadurch den Blutdruck leicht senkt. Dazu wurden in den Untersuchungen Dosen von 6 bis 8 Gramm Arginin pro Tag gewählt. Ob sich jedoch mit einer erhöhten Arginin-Zufuhr auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken lassen, ist derzeit nicht ausreichend geklärt. Als Arzneimittel und in ärztlicher Hand kann L-Arginin möglicherweise bei ganz bestimmten Erkrankungen der Gefäße (Arterio­sklerose) hilfreich sein. Ob es jedoch Herz und Kreislauf wirklich schützt, kann aufgrund fehlender aussagekräftiger Studien nicht bewertet werden. 

Von einer alleinigen Selbstmedikation mit Arginin und/oder Citrullin bei Bluthochdruck können wir allerdings nur abraten. Nahrungsergänzungsmittel können einen schwachen Effekt haben, der aber nicht ausreichen muss, um den Blutdruck effektiv zu senken. Bluthochdruck bedarf einer wirkungsvollen Therapie, die mit dem Arzt oder der Ärztin abgesprochen werden sollte. 

Auf was sollte ich bei der Verwendung von L-Arginin-Produkten achten?

  • Statt den Versprechungen für Nahrungs­ergänzungs­mittel zu vertrauen, sollten Sie zunächst das ärztliche Gespräch suchen.
  • Erektionsschwäche kann ein wichtiger Hinweis auf eine zugrundeliegende Krankheit sein, zum Beispiel auf Verengungen der Blutgefäße des Herzens. Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Potenzschwäche sind wenig Bewegung, Übergewicht, Rauchen und erhöhte Cholesterinwerte. Eine Lebensstiländerung führt häufig schon zu einer deutlichen Verbesserung der Potenzstörung.
  • Ohne ärztliche Kontrolle sollten Sie Arginin-Präparate bei Herz-Kreislauferkrankungen auf keinen Fall einnehmen, da es zu Wechselwirkungen mit Blutdrucksenkern, Blutverdünnern und Potenzmitteln kommen kann. Wenn Sie bereits einen Herzinfarkt hatten, sollten Sie ganz darauf verzichten.
  • Auf den L-Arginin-Produkten seriöser Hersteller finden Sie Warnhinweise für bestimmte Personengruppen. So sollten Sie etwa das Produkt nur nach ärztlicher Rücksprache verwenden, wenn Sie mit blutverdünnenden Arzneimitteln behandelt werden, zum Beispiel mit Marcumar. L-Arginin darf mit Medikamenten, die Nitrate enthalten, etwa Amylnitrit, oder potenzsteigernden Mitteln mit verschreibungs­pflichtigen Wirkstoffen wie Sildenafil, nur nach ärztlicher Rücksprache eingenommen werden.
  • Arginin kann Allergien oder Asthma verschlechtern.
  • Neben scheinbar ganz natürlichen Zutaten, wie L-Arginin und Pflanzenextrakten, sind nicht deklarierte Arzneistoffe in Potenzmitteln aus dem Internet leider keine Seltenheit. Sie können z. B. nicht angegebene verschreibungs­pflichtige Arznei­substanzen wie die PDE-5-Hemmer Sildenafil oder Tadalafil oder nicht zugelassene ähnlich aufgebaute chemische Substanzen wie Sulfoail­denafil enthalten. Mehrere Lebensmittel­überwachungs­ämter raten deshalb dringend davon ab, Potenzmittel über das Internet zu bestellen.
  • Verschreibungsfrei und wirksam gegen Durchblutungsstörungen sind reichlich Sport und Bewegung.

Was ist L-Arginin?

L-Arginin ist eine der stickstoff­reichen Aminosäuren. Sie zählt zu den bedingt unentbehrlichen (semi-essentiellen) Aminosäuren, das heißt der Körper kann sie zwar selber bilden, doch reicht diese Menge in bestimmten Situationen nicht immer aus. Mit einer ausgewogenen Mischkost nehmen Sie schätzungsweise 5 bis 6 Gramm Arginin pro Tag auf. Sehr gute Arginin-Quellen sind Nüsse, Hülsenfrüchte, Soja, Mais, Reis, Rind- und Schweinefleisch.

Eine echte Unterversorgung mit L-Arginin ist nicht bekannt. Nur bei bestimmten Erkrankungen, wie Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes, wird weniger L-Arginin im Körper gebildet. Über eine ausgewogene Ernährung kann meist genug L-Arginin aufgenommen werden, um das auszugleichen.

L-Arginin und Arginin, was ist der Unterschied?

Der Buchstabe „L“, der vor Nährstoffen wie Ascorbinsäure (Vitamin C) oder Aminosäuren (z.B. Arginin, Asparaginsäure, Glutaminsäure) steht, erklärt die räumliche Anordnung der Moleküle.

Neben sogenannten „L-Formen“ (L für laevus (lat.)/links) gibt es noch die „D-Formen“(D für dexter (lat.)/rechts). Der Unterschied der beiden Formen liegt in ihrem spiegelverkehrten Aufbau. Im Fall der Aminosäuren und der Ascorbinsäure kann nur die L-Form von körpereigenen Enzymen erkannt und für den Stoffwechsel genutzt werden. Bei Glucose (Traubenzucker) zum Beispiel nur die D-Form.

Da meist nur eine der beiden Formen natürlich vorkommt und damit für den menschlichen Organismus nützlich ist, wird häufig auf das „L“ oder „D“ verzichtet. Trotzdem ist damit bei der Schreibweise „Ascorbinsäure“ oder „Arginin“ (z.B. auf Nahrungsergänzungsmitteln) die L-Form gemeint (also „L-Ascorbinsäure“, „L-Arginin“).

 

Quellen:


Zabel M (2011): Erektile Dysfunktion bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen: Hinweise für ein gestörtes Verhältnis zwischen L-Arginin und ADMA, Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der Universität Hamburg, Hamburg

Deutsche Apotheker Zeitung: Penis, Pumpe, Prostata – Welche Supplemente braucht der Mann wirklich? DAZ 2019, Nr. 13, S.57 (abgerufen am 14.01.2025).

Deutsche Apotheker Zeitung: Selbst ist der Mann – Gibt es eine sinnvolle Selbstmedikation bei erektiler Dysfunktion? DAZ 2018, Nr. 27, S.30 (abgerufen am 14.01.2025).

Rhim HC, Kim MS, Park YJ, Choi WS, Park HK, Kim HG, Kim A, Paick SH: The Potential Role of Arginine Supplements on Erectile Dysfunction: A Systemic Review and Meta-Analysis, Journal of Sexual Medicine . 2019 Feb; 16(2):223-234.

Gute Pillen - schlechte Pillen: Gepanschtes: Lebensgefährliche Produkte aus dem Internet; 2020/01 S. 27 (abgerufen am 14.01.2025).

Untersuchungen des Landesuntersuchungsamtes Rheinland-Pfalz: Gefährliche Potenzmittel aus dem Internet  (abgerufen am 14.01.2025).

Manus I: Thema: Erektile-Dysfunktion: Ursachen und Behandlung, Apotheken-Umschau, 07.08.2024  (abgerufen am 14.01.2025).

Bundeskriminalamt: Weltweite Kontrolloperation gegen den Handel mit illegalen Arzneimitteln im Internet – PANGEA XIII, Pressemitteilung 19.03.2020  (abgerufen am 14.01.2025).

medizin transparent/Cochrane Österreich: Arginin: Schutz von Herz und Kreislauf nicht belegt. Zuletzt aktualisiert: 30.06.2020  (abgerufen am 14.01.2025).

Fitmacher fürs Herz? Ernährungsmedizin-Blog Prof. Smollich vom 17.08.2021  (abgerufen am 14.01.2025).

 

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