Gaskunden können Geld zurückfordern
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in seinem Urteil vom 21. März 2013 die Rechte von Gaskunden gestärkt. In der Rechtssache C-92/11 haben die Richter entschieden, dass Energieversorger ihre Preiserhöhungen für Sonderkunden besser begründen müssen. Sie können sich hierbei nicht allein auf Vorschriften berufen, die nur in der Grundversorgung gelten. Preiserhöhungsklauseln müssen Änderungen so transparent darstellen, dass Verbraucher die Gründe und das Verfahren bei etwaigen Preisänderungen schon bei Vertragsschluss deutlich erkennen können. Weiterhin müssen Kunden bei Preisänderungen die Möglichkeit haben, Verträge zu kündigen.
Damit folgt der EuGH der Ansicht der Verbraucherzentrale NRW. Diese vertritt 25 Gaskunden des Energiekonzerns RWE in einer Sammelklage. In dem seit 2006 laufenden Verfahren fordern die Verbraucherschützer von RWE unrechtmäßige Preiserhöhungen für die Jahre 2003 bis 2006 zurück. Sowohl das Landgericht Dortmund als auch das Oberlandesgericht Hamm hatten die Auffassung der Verbraucherzentrale NRW bestätigt. RWE ging in Revision und der Bundesgerichtshof (BGH) legte dem EuGH daraufhin die Sache zur Klärung der Rechtsfragen vor.
Auch der EuGH folgte der Rechtsauffassung der Verbraucherzentralen. Klauseln, die lediglich den Gesetzestext übernehmen, sind nach Auffassung des Gerichts unwirksam. Den Anträgen der Bundesregierung sowie von RWE, die finanziellen Folgen des Urteils zu begrenzen und es nur auf künftige Preiserhöhungen zu beschränken, hat der EuGH dagegen eine klare Absage erteilt. Die Entscheidung betrifft deshalb auch Altverträge von Sonderkunden. Sonderkunde ist, wer beim Grundversorger einen besonderen Tarif vereinbart hat.
Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung des EuGH mit BGH-Urteil vom 31.07.2013 (Az.: VIII ZR 162/09) gefolgt.
Betroffene Tarife in Bremen und Bremerhaven
Fast jeder Energieversorger verwendet eine eigene Preisanpassungsklausel. Die Stiftung Warentest hat Preisanpassungsklauseln unterschiedlicher Gasanbieter einem Schnelltest unterzogen. Der Liste kann man entnehmen, dass viele der überprüften Gasanbieter kein Recht zur Preisanpassung mit der genutzten Klausel haben, bei einigen ist es zumindest zweifelhaft. Viele der aufgeführten Anbieter liefern auch nach Bremen bzw. Bremerhaven: Gaspreisklauseln im Test.
Die verwendete Preisanpassungsklausel der swb in ihren Sonderverträgen (swb Erdgas plus, swb 24 Erdgas, swb Erdgas pro Natur) entspricht nicht der vom BGH und EuGH verworfenen Klausel, dadurch ist ihre Geltung nicht per se unwirksam. Es ist aber außerordentlich zweifelhaft, ob sie einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würde.
Geld aus möglicherweise unberechtigten Gaspreiserhöhungen gibt es nicht automatisch zurück, sondern jeder einzelne Kunde muss das Geld von seinem Versorger zurückfordern. Dazu muss er so verlangt es der BGH in seinem Urteil seiner Jahresrechnung innerhalb von drei Jahren widersprechen. Um mögliche Ansprüche zu sichern, können Sondervertragskunden der Preisanpassungsklausel ihres Versorgers widersprechen.
Die Verbraucherzentrale Bremen stellt einen Musterbrief zum Widerspruch zur Verfügung.
Achtung!
Aktueller Hinweis: swb kündigt Gasverträge
Sondervertragskunden der swb, die den aktuellen, von der Verbraucherzentrale Bremen vorbereiteten Widerspruch bei der swb einreichen, erhalten von der swb die Kündigung ihres Gasvertrages.
Die Verbraucherzentrale Bremen weist darauf hin, dass ein Energieversorger Sondervertragskunden kündigen kann. Ein Urteil über einen Anbieter, der Kunden kündigt, die ihr gutes Recht gegen ungerechtfertigte Preiserhöhung vorzugehen, wahrnehmen, möge jeder selber fällen.
Verbraucher, die ihre möglichen Rückforderungsansprüche durchsetzen wollen, wird empfohlen, die Kündigung zu akzeptieren und den Gasanbieter zu wechseln. Man kann sich auch nach der Kündigung durch die swb mit dem Grundversorgertarif swb Erdgas basis beliefern lassen. Der Jahresgasverbrauch von 25.000 kWh ist im Basis-Tarif in Bremen und Weyhe ca. 130 Euro, in Bremerhaven ca.100 Euro teurer als im swb Erdgas plus-Tarif. In beiden Fällen bleibt der Widerspruch bestehen.
Wenn die Preisanpassungsklausel der swb der juristischen Überprüfung nicht standhält, würde sich nach vorläufigem Überschlag für Widersprüchler mit einem swb Erdgas plus-Vertrag mit einem durchschnittlichen Jahresgasverbrauch von 25.000 kWh Rückforderungsansprüche von durchschnittlich 150 300 Euro ergeben. Es ist davon auszugehen, dass Rückforderungsansprüche gegen die swb nur auf dem Klagewege durchzusetzen sind. Dadurch würden zusätzliche Kosten entstehen (105 Euro Gerichtskosten sowie bis zu 425 Anwaltskosten bei anwaltlicher Vertretung beider Parteien und Prozeßverlust).
Betroffene Verbraucher müssen prüfen, ob sie die möglichen Rückforderungsansprüche durchsetzen wollen. Die Verbraucherzentrale Bremen plant zurzeit keine Sammelklage.
Verbraucher, die weiterhin ihren aktuellen Tarif bei der swb behalten wollen, bleibt nur die Möglichkeit, den Widerspruch zurückziehen.
Die Verbraucherzentrale hält Tipps zum Anbieterwechsel bereit. Ferner wird zum Anbieterwechsel beraten.